In nächster Zeit werden hier – dank der persönlichen Bekanntschaft zu Mathias Thomaschek von Zweirad-Online.de und seinen Mitarbeitern und Testfahrern, sowie Technikern – gelegentlich Testberichte von neuen und interessanten Motorrädern, Motorradtechnik und Geschehnissen rund um das Thema Motorrad erscheinen.
Beginnen wollen wir mit einem Fahrbericht zur Husqvarna Nuda 900 – die mit dem roten Kopf…
Der Sonntag versprach nicht sonderlich spannend zu werden. Nach einer gemütlichen Tour mit Freunden zum Monte Kaolino trennten sich unsere Wege und scheuchte die G 650 GS-Testmaschine über die Autobahn nach Garching. Testmotorradtausch ist normalerweise eine ziemlich emotionslose Arbeit mit viel Fahrerei. Zum Glück kann man bei BMW jederzeit Testmaschinen abholen und zurückbringen, auch am Sonntag bei 32 Grad im Schatten.
Die Neue erfreute im Vorfeld mein Herz nicht rasend. Wir hatten eine Husqvarna Nuda 900 bestellt, und ich malte mir bereits leicht frustriert aus, wie ich meinen schon von der G 650 bereits schmerzenden Hintern auf ein Sitzbank genanntes Supermotokantholz hieven müsste, um mit einem schüttelnden Spielzeug für Querbremser über die Autobahn heimzuschüsseln. Zuerst fanden der Testfahrzeugsaufsichtsbeamte und ich die Nuda in den weitläufigen heiligen Hallen der Presse- und VIP-Abteilung nicht. Ganz im Eck war sie versteckt, und während ich mich fahrfertig machte, scheinen meine Befürchtungen optisch bestätigt. Die schmale Sitzbank war elend hoch. „Tja,“ sprach die innere Stimme mit einem Anflug von Zynismus zu mir, „hättest du was gescheites gelernt, müsste ich nicht an einem Sonntag bei 32 Grad im Schatten mit so einem Kracher rumfahren.“
„Ruhe!“
Aufsitzen, Druck auf den Anlasser. Was ist das? Haben die den dB-Killer beim Auspuffputzen vergessen? Das Ding bollert mit einem Sound, dass mir erst mal fast die Ohren abfallen. Erster Gang, raus aus der Halle, der Aufsichtsbeamte grüßt und ich stehe an der Ampel. Rechts rum geht’s auf die B13 Richtung Pfaffenhofen, links auf die A9. Die innere Stimme klingt jetzt merklich moderater: „Rechts!“ Ich folge ihr und blinke rechts. In guten Filmen setzt an dieser Stelle die Musik mit jauchzenden Geigen ein. Meine Laune wandelt sich mit jedem Meter, der Motor trompetet beim Gas geben durch die Lafranconi-Anlage ein gar sportliches Lied, die Kantholzsitzbank erweist sich als optische Täuschung und doch ganz bequem. Nur weil es etwas spät geworden ist, wähle ich ab Ingolstadt die Autobahn. Selbst hier im alles andere als artgerechten Geläuf geht es mit der Nuda bei Tempo 150 – 160 trotz des fehlenden Windschutzes recht kommod voran. Natürlich zieht es wie Hechtsuppe, aber der Zweizylinder marschiert ordentlich und auch das Fahrwerk lässt einen sehr schnell spüren, dass Autobahnkurven eine beleidigende Unterforderung darstellen.
Montagmorgen in der Redaktion: Wir schleichen murmelnd um die Nuda. Beim genauen Betrachten kann sie natürlich ihre Herkunft nicht verleugnen. Teilelieferant ist die BMW F 800 R. Was nur den Laien verwundert, denn Husqvarna gehört seit Oktober 2007 zum BMW-Konzern. Deren stählernen Gitterrohrrahmen kürzten die italienischen Husqvarna-Entwickler um 50 Millimeter, schweißten dafür ein fettes 80mm-Steuerkopfrohr ein und reduzierten dabei auch gleich den Lenkkopfwinkel. Schon geht’s fahrwerksgeometrisch heftig Richtung Kurvensuchgeometrie.
Darf es etwas mehr sein!
Dem wassergekühlten und eigentlich schon recht potenten Zweizylindermotor aus der F 800er-Serie machten die Husqvarna-Techniker nochmal kräftig Feuer. Und bewiesen damit, dass Tuning nicht immer gleich mit Ruppigkeit, spitzen Drehmomentkurven und kritischen Motortemperaturen zusammen hängen muss. Zwei Millimeter mehr Bohrung und 5,4 Millimeter mehr Hub sorgen für 100 ccm Hubraumplus; Nockenwellenlager, Kolben und Pleuel wurden entsprechend angepasst. Die Kurbelwelle besitzt nun statt des 0-Grad Hubzapfenversatzes einen mit 315 Grad. „Das“ so schreibt die Husqvarnapresseabteilung euphorisch „bietet nicht nur ein Mehr an aggressiverem Rennsportfeeling und -Sound bei maximaler Leistung, sondern überzeugt auch mit deutlich besseren Leistungsund Drehmomentkennlinien.“ Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie einen Maschinenbauingenieur, oder nehmen es zur Kenntnis und erfreuen sich daran.
Ein- und Auslassventil wuchsen jeweils im Durchmesser um einen Millimeter. Das unter der Kurbelwelle sitzende Schwenkpleuel, ein nur von BMW und nur bei diesem Motortyp anstelle von Ausgleichswellen eingesetztes Bauteil, sorgt erstaunlich gut für gerührtes, nicht geschütteltes Fahren. Ach ja, alle Maßnahmen zusammen zaubern aus dem BMW-Allrounder ein Feuerzeug mit 105 PS Höchstleistung und 100 Nm Drehmoment. Der traditionell bei Husqvarna in Rot gehaltene Zylinderkopfdeckel ist zwar nicht leistungssteigernd, aber optisch ein witziger Farbtupfer an unserer sonst in schwarz-weiß gehaltenen Testmaschine. Wer mit der Nuda auf der kurvenreichen Land- und Bundesstraße schnell schnell ist, möchte oder muss manchmal wieder schnell langsam sein. Kein Problem, im Vorderrad sorgen zwei 320er Scheiben zusammen mit radial angeordneten 4-Kolben Brembo-Sätteln für Brachialverzögerung. Übertreiben solle man es mit ihnen aber nicht: Die Nuda besitzt weder ABS noch eine Schlupfregelung (noch nicht), mit ihr stürzt man noch wie ein Anfänger.
R, wie Fortgeschritten
An dieser Stelle sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es von diesem Landstraßenfeger noch eine R-Version gibt. Die besitzt dann neben diversen Karbonteilen in der Hinterhand statt des Sachs ein Öhlinsfederbein, aus einem Stück gefräste Rennsportbrembozangen und eine voll einstellbare Sachs-Gabel. Die Nuda 900 rollte auf 17-Zoll- Gusspeichenrädern, vorne führt ein 120er Reifen, hinten treibt ein 180er Gummi vorwärts. Und spätestens ein Blick in die Fahrzeugpapiere verrät, warum die Leichtigkeit, mit der sich die Husqvarna ums Eck bügeln lässt, nicht allein von der sehr fahraktiven Sitzposition weit vorn über der satt in den Händen liegenden Lenkstange stammt. Mit 13 Litern vollgetanktund fahrbereit wiegt die Nuda 195 Kilo.
So gerät die ausgewilderte F800 R genau zwischen die Fronten und damit goldrichtig für ehemalige Superbikefahrer, bei denen das Genick inzwischen vom Stummellenker weh tut und der hohe Tank den Wachstumsbestrebungen der mittleren Körperringe im Weg ist.
Entspannung für Gebückte
Oder für Leute, die bisher annahmen, eine Supermoto müsse unbedingt einzylindrig sein und dazu schütteln wie ein alter Lanz-Traktor. Und mit der Nuda feststellen, dass man auch 200 Kilometer ohne verlorene Zahnplomben und vibrationsbedingte Sehstörungen zurücklegen kann. So weit reicht nämlich die Tankfüllung auf jeden Fall. Für alle, die an dieser Stelle bereits leicht aus den Mundwinkeln zu sabbern beginnen, zwei Dinge gäbe es da noch zu klären: Was kostet sie und wo kann man sie kaufen? Die erste Frage ist schnell beantwortet: 9.999 Euro kostet die Basis-Nuda, wer die R-Version für Fortgeschrittene wählt, zahlt, 11.590,00 € jeweils zuzüglich 300 Euro Liefernebenkosten. Kaufen kann man sie offiziell bei den ebenso offiziellen Husqvarna-Vertragshändlern. Die Firma Zupin aus Traunstein ist langjähriger Husqvarna- Importeur für deftige Enduro- und Wettbewerbsmotorräder und nun auch für den Straßenfeger zuständig.
BMW-Vertragshändler haben die Nuda dann im Angebot, wenn sie gleichzeitig auch Husqvarna-Händler sind. In Deutschland sind das deren 13; die Adressen gibt es im Internet.
In Polen könnte es mit der Modellbezeichnung allerdings Probleme geben. Denn auf Polnisch bedeutet Nuda Langeweile – und ein Langweiler ist die Nuda 900 ja nun wirklich nicht.
Technische Daten
- Motor:
Wassergekühlter Zweizylinder-Viertakt- Reihenmotor, vier Ventile pro Zylinder, Hubraum 898 ccm, Leistung 77 kW/105 PS bei 8500/min, Drehmoment 89 Nm bei 7000/min, Sechsganggetriebe, Kette - Fahrwerk:
Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upsidedown- Gabel, Ø 48mm, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein, Doppelscheibenbremse vorn, Ø320 mm, Vierkolbenfestsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 265 mm, Einkolben- Schwimmsattel. Maße und Gewichte: Radstand 1495 mm, Sitzhöhe 885 mm, Gewicht vollgetankt 195 kg, Tankinhalt 13 Liter - Messwerte:
Höchstgeschwindigkeit 225 km/h, Beschleunigung 0 – 100 km/h: 3,3 s, Verbrauch: 5,7 Liter/100 km. - Preis:
ab 9.990 €
Text: Mathias Thomaschek Fotos: Schinner, Thomaschek (1) – Zweirad-online.de